Engel mit Schätzle und Spätzle

Festival der Jungen Chöre in Nattheim: Inspirierende Vorträge

auf hohem Niveau inspirierten das Publikum – Von Marita Kasischke

Eines lässt sich nach dem Festival der Jungen Chöre am Samstagabend in der Ramensteinhalle Nattheim auf jeden Fall feststellen: Der ganze Bezirk Heidenheim des Eugen-Jaekle-Chorverbands ist besetzt von Sängerinnern. Der ganze Bezirk? Nein, ein von unbeugsamen Sängern bewohntes Dorf im Stubental hört nicht auf, dieser Entwicklung zu trotzen: Paritätisch teilen sich Männer und Frauen die Bühne beim Vortrag der Sänger-Eintracht Sontheim im Stubental. Das ist auffällig, denn ansonsten sind die Jungen Chöre fest in Frauenhand, wenn nicht gar reine Frauenchöre.

Das Festival der Jungen Chöre ist immer eine gute Gelegenheit, sich vom Stand der Chorarbeit zu überzeugen, und rund 300 Zuhörer nutzten diese Chance. Sie erlebten durchweg Vorträge auf hohem Niveau und darüber hinaus die ganze Vielfalt, zu deren Chöre in der Lage sind. Eine abwechslungsreiche Tour durch die Genres stand auf dem Programm, und dabei verstand es jeder Chor, einen ganz individuellen Eindruck zu hinterlassen.

Eine Premiere gab es obendrein: Der erst in diesem Jahr gegründete EJC-Kammerchor unter der Leitung von Benjamin Samul hatte seinen ersten Auftritt. Er überzeugte auf ganzer Linie mit seinen gekonnten Vorträgen von Brahms bis Billy Joel, vor allem das „Say something“ ließ aufhorchen und machte beste Werbung für den neunköpfigen Chor, der ruhig noch größer werden darf – stark ist er jetzt schon.

Was aus kleinen Chören herauszuholen ist, zeigte auch Elvira Foitl mit ihren 11 Sängerinnen der Sänger-Eintracht Sontheim/Brenz: Mit Pfiff und Saxophon-Solo, vor allem aber der sehr starken Interpretation von Max Giesingers „Wenn sie tanzt“ widerlegten sie mühelos die vor rund 100 Jahren herrschende Überzeugung, Frauen hätten im Chorgesang nichts verloren. Dass sie im Gegenteil qualitativ hochwertigen Chorgesang drauf haben, unterstrich auch die „Choralle“, der Junge Chor des Festivalausrichters Liederkranz Nattheim unter der Leitung von Harald Geisler. Tempo, Rhythmus, Gefühl – die rund 30 Frauenstimmen haben das alles drauf und eine Choreographie gabs obendrein bei diesem voluminösen Einstieg in das Konzert mit „Grease“ und „Tarzan“ und Folksongs.

Freilich gibt es sie noch, die Männer, die singen wollen und können, nicht nur die zwei im EJC-Kammerchor. „Nota bene“ des Gesangvereins Gerstetten unter der Leitung von Kristin Geisler hat ebenfalls Sänger zu bieten und darüber hinaus perfekte Präzision und strahlenden Klang, wie sich bei dem filigranen „Time after time“ und dem apart arrangierten „So soll es bleiben“ feststellen ließ. Der Hit „Budapest“ lässt nicht sofort an eine Chorumsetzung denken – „Nota bene“ zeigte, dass auch Ungewöhnliches gewagt werden kann. Einen Nachschlag gab es obendrein: Ein Schätzle, das Spätzle und Schmätzle serviert – wer könnte da widerstehen? Etwas Besonderes hatte auch der Chor „Happy Voices“ des Liederkranz Mergelstetten parat: Welcher Chor hat schon seine eigene Hymne zu bieten? Die „Happy  Voices“ jedenfalls haben eine solche, komponiert wurde sie von Chorleiter Walter Georg Heinle, und sie überzeugte ebenso wie der gesamte Vortrag dieser glücklichen Stimmen, die glücklich stimmen.

Ein Highlight des Abends war der Vortrag von „Sing & Swing“ der Sängerlust Hohenmemmingen unter der Leitung von Christian Zenker. Er ließ den „Engel“ von Rammstein – auch eine nicht naheliegende Wahl – in einem anspruchsvollen Arrangement durch den Saal schweben, dass dem Publikum die Spucke wegblieb. Ähnlich auch bei John Miles‘ „Music“: Die Herausforderungen wurden gekonnt und glänzend umgesetzt. Bei „Bridge over troubled water“ und „Wunder geschehn“ fügte sich zur Sanftheit des Stücks das gewaltige Klangvolumen des Chors, bei dem mit 19 Sängerinnen und Sänger noch nicht einmal alle Mitglieder auf der Bühne standen.

Und schließlich der „Halb-achte-Chor“ der Sänger-Eintracht Sontheim im Stubental: Nicht nur, dass der Chor über die meisten Männer verfügt, er überzeugt darüber hinaus mit seinem Chorklang insgesamt, der unter der Leitung von Kerstin Faisst klare Präzision und eingängige Harmonie bewies. Ihr Traditional und Spiritual ließ keine Wünsche offen, mit „Tatschofonie“ lieferten sie dazu noch einen humorvollen Beitrag zur Handymanie.

Der eigentliche Gewinner an diesem Abend war in jedem Fall der Chorgesang insgesamt: Das Programm und alle Interpretationen haben auf inspirierende Weise gezeigt, was in diesem altbewährten Hobby alles steckt – und dass es alles andere als altbacken ist.

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