Warum tun Sie das in einem Verein?

 

Weil es Spaß macht, mit anderen und für andere zu singen, in einer Gemeinschaft zu sein. Mein Lieblingslied ist aus dem „Bajazzo“ das „Warum bist du gekommen“. Nach dem Singen sitzen wir gesellig beisammen, reden und stimmen wieder Lieder an wie das das alte „Rennsteiglied“, auch das ist schön. Sehr gut gefällt mir aber auch neuere Chorliteratur wie zum Beispiel „Frei wie der Wind“, ein Titel der Gruppe Santiano.

 

Der Liederkranz Ellenberg, zu dessen Vorstand Sie gehören, besteht noch ganz althergebracht aus einem Männerchor. Woher kommt diese Tradition?

 

Neben der Begeisterung für den schönen Gesang Ende des 19. Jahrhunderts waren die Männergesangvereine ursprünglich auch eine Art Protestbewegung. Denn Anfang des 20. Jahrhunderts, im Kaiserreich, galt ein Versammlungsverbot. Aber sich treffen, um zu singen, durfte man. So bildeten sich viele Männerchöre. Auch heute wollen viele Vereine aus alter Tradition heraus reine Männerchöre bleiben, solange sie nicht in akuter Not sind der Mitgliederzahlen wegen. Es ist eben einfach schön, einen Männerchor zu hören, etwa den Bezirksmännerchor mit über 100 Stimmen.

 

Wie viele Chöre gibt es im Bezirk Ellwangen des Eugen-Jaekle-Chorverbands?

 

Es gibt 46 Chöre in 29 Vereinen. Davon sind immerhin noch 15 reine Männerchöre, von denen Ellwangen einen der größten stellt, außerdem 14 gemischte Chöre, zwei Frauenchöre, sieben junge Chöre, ein Jugendchor und sieben Kinderchöre. Darunter sind sehr große Vereine mit 120 aktiven Sängern und Sängerinnen in mehreren Chören wie in Pfahlheim, aber auch ganz kleine Vereine mit kaum 20 Aktiven. Manche dieser Vereine blicken auf eine über 100-jährige Geschichte zurück wie – exemplarisch –der Liederkranz Rosenberg. Die ältesten gemischten Chöre sind 30 oder mehr Jahre alt. Allen gemeinsam ist jedoch die Freude am Singen.

 

Wie steht es um die Tradition der Männerchöre?

 

Die Männerchöre werden zunehmend Probleme bekommen, denn sie sind oft überaltert und tun sich schwer mit dem Nachwuchs. Bei uns in Ellenberg bin ich mit 58 Jahren bei den eher Jüngeren angesiedelt. Vereine wie der unsrige mit älteren Mitgliedern tun sich oft schwer mit Neuerungen, etwa beim Liedgut. Viele mögen zum Beispiel keine englischen Texte.

 

Wie versuchen die Männerchöre neue Mitglieder zu gewinnen?

 

Zum Beispiel über offenes Singen, Singstunden im Freien oder mit einem Sternmarsch durch die Siedlungen. Am Erfolgversprechendsten ist allerdings die direkte Ansprache möglicher Interessenten oder ganz ordinäres „Klinken putzen“. Viele Chöre versuchen auch, über Projektchöre neue Mitglieder zu gewinnen. In Ellenberg hat das aber keinen dauerhaften Erfolg gebracht.

 

Wie ergeht es den jungen und gemischten Chören?

 

Sie werden die dominierende Gattung werden, denn sie haben mehr Zulauf und sprechen durch modernes Liedgut junge Leute an. Außerdem singen die jungen Chöre nicht nur toll, sondern arbeiten viel mit Bewegung, bringen ganze Choreografien auf die Bühne. Und sie orientieren sich in ihrer Organisation mehr an den Vorstellungen junger Leute. Im Übrigen kann man in den gemischten Chören auch mit dem Partner gemeinsam seine Freizeit gestalten.

 

Wie das?

 

Die Berufstätigen haben heute weniger Zeit, außerdem ist die Konkurrenz durch andere Freizeitaktivitäten riesig. Viele wollen sich nicht mehr in einem Vereinsgefüge festlegen. Deshalb verstehen sich manche Gesangvereine bereits als Dienstleister: Sie verlangen einen höheren Jahresbeitrag, fordern dafür aber weniger Arbeitsdienste ihrer Mitglieder ein, etwa bei Festen.

 

Und wie steht es mit ehrenamtlichen Posten?

 

Es ist sehr schwierig, Vorstandsposten zu besetzen, das gilt für alle Vereine. Kaum einer möchte noch Verantwortung übernehmen. Es ist ja auch so, dass ehrenamtliche Vorsitzende mit ihrem Privatvermögen haften. Besitzt ein Verein ein Vereinsheim, kann es da um viel Geld gehen. Dazu kommen immer mehr Auflagen des Gesetzgebers etwa bei Festen, verbunden mit Schulungen. Dass viele Verwaltungsvorgänge nur noch über den PC abgewickelt werden können, stellt auch für so manchen Verein ein Problem dar. Ein weiteres Problem für die Vereine sind die steigenden laufenden Kosten.

 

Welche Kosten sind das?

 

Kosten für Immobilien, Versicherungen, Liedgut und der vielen Dinge mehr. Beiträge für den Chorverband sowie die Vergütung für den Dirigenten. Das sind oft sehr gut ausgebildete Leute, die von der Musik leben. Ehrenamtliche Dirigenten kenne ich keine. Qualität hat ihren Preis.

 

Warum lohnt es sich trotzdem, sich für den Gesangverein einzusetzen?

 

Weil man vernetzt ist, Freundschaften pflegt, den Zusammenhalt festigt. Die Hilfsbereitschaft im Verein ist groß. Und eins ist sicher: Singen kann jeder. Das jedenfalls ist nicht das Problem.

 

Günter Hopfensitz ist waschechter Ellenberger. In der Musik ist er seit seinem zehnten Lebensjahr zuhause. Damals trat er in den Musikverein Ellenberg ein. Mit 15 kam er zur Tanzmusik, spielte jahrzehntelang in Tanzkapellen und nahm sich vor: Wenn ich eines Tages damit aufhöre, gehe ich zum Liederkranz. Mit 50 Jahren machte er das Versprechen wahr und wurde Mitglied im Liederkranz Ellenberg. Es dauerte nicht lang, da wurde er dessen stellvertretender Vorsitzender, und vor rund einem Jahr dann der Vertreter aller 29 Gesangvereine im Bezirk Ellwangen des Eugen-Jaekle-Chorverbands. Außerdem singt Hopfensitz gemeinsam mit seiner Frau im Kirchenchor Ellenberg, dessen Vorsitzender er seit diesem Jahr ebenfalls ist.

 

 

 ©Schwaebische.de | 07.November 2016 | Sylvia Möcklin